13.09.07

SAISONVORSCHAU, TEIL IV

HK JESENICE

Gründungsjahr: 1948
Meistertitel: fünf (in Slowenien 1992-1994, 2005, 2006)
Heimhalle: Dvorana Podmežakla (4.700 Plätze, davon 1.200 Sitzplätze)
Homepage: www.hkjesenice.si
VSV-Bilanz 2006/07: 8 Spiele; 5 VSV-Siege, 3 Niederlagen (davon eine im Penaltyschießen); Torverhältnis 32:30 (+2). Top-Scorer: Gauthier 13 (3+10), Peintner 11 (6+5), Bousquet 10 (2+8) bzw. Fox 13 (3+10), D.Rodman 11 (7+4), M.Rodman 8 (3+5).


Der vielerorts von einer gehörigen Portion Skepsis begleitete Einstieg des HK Jesenice in die österreichische Bundesliga zur Saison 2006/07 kann heute, ein Jahr später, als voller Erfolg gewertet werden. Die in ihrem finanziellen Spielraum vergleichsweise stark limitierten Nordslowenen legten nach einer Schwächeperiode der Eingewöhnung zu Saisonbeginn eine begeisternde Spielzeit hin und verpassten die Play-Off-Qualifikation erst im Penaltyschießen der allerletzten Runde gegen den direkten Konkurrenten, die Vienna Capitals.
In der Stahlstadt am südlichen Portal des Karawankentunnels hatte der Verein fast alles, was im slowenischen Hockey Rang und Namen hat, in seinem Kader versammelt, Trainer Matjaž Kopitar, der Vater von Sloweniens erstem NHL-Spieler der Geschichte, Anže Kopitar, formte aus diesem ein enorm spielstarkes und technisch versiertes Team, das die EBEL massiv bereicherte. Das erste ausländische „Gastteam“ der noch jungen Ligageschichte gewann die Herzen der österreichischen Eishockeyfans im Sturm und kann sich zweifellos als das beliebteste Team der abgelaufenen Meisterschaft bezeichnen. Speziell die Karawankenderbys gegen den VSV waren dabei richtiggehende Hockeyfeste auf hochklassigem Niveau, mit vielen Auswärtsfans und einer meist beeindruckenden Stimmug (im Schnitt sahen fast 3.800 jedes der acht Derbys zwischen Villach und Jesenice). Auch sonst zog Jesenice speziell auswärts viele Interessierte an, von den beiden Finalisten Salzburg und VSV abgesehen, die ihren Schnitt in den Play-Offs noch erhöhen konnten, hatte Jesenice den drittbesten Zuseherschnitt auf fremdem Eis - ein eindrucksvoller Beweis für die Attraktivität der Slowenen.
Doch wie es für eine Liga, in der das Gefälle hinsichtlich der finanziellen Potenz ein derart starkes ist, fast zu erwarten war, kam dem HK Jesenice im Laufe der Sommerübertrittszeit ein großer Teil seiner stärksten Akteure abhanden. Nicht nur Trainer Kopitar, der Nachwuchscoach in Übersee wird, verließ den Klub, auch Torhüter Kotyk und gleich die fünf punktbesten Stürmer des Vorjahres wurden von anderen EBEL-Klubs abgeworben. Der neue kanadische Übungsleiter Kim Collins muss also - speziell im Angriff - eine völlig neue Mannschaft zusammenbasteln. Wie gut ihm das angesichts der beschränkten finanziellen Möglichkeiten gelingen wird, bleibt abzuwarten, denn der enorme Aderlass beim Offensivpersonal ist eigentlich unmöglich auszugleichen. Doch der HK Jesenice wurde auch schon im Vorjahr, speziell nachdem es in den ersten sieben Partien nur einen Sieg gab, unterschätzt, außerdem dürften die Slowenen vom Modus profitieren: Waren es im Vorjahr noch vier Teams, die es hinter sich zu lassen galt, um es in die Play-Offs zu schaffen, sind es heuer bei vergößerter Liga nur deren zwei. Und das ist Jesenice in jedem Fall zuzutrauen!

In den heißen Karawanken-Derbys gegen den VSV hatten die Adler im Vorjahr in der Gesamtbilanz die Nase vorne: Fünf VSV-Siegen standen zwei des HK Jesenice sowie ein weiterer nach Penaltyschießen gegenüber, Tordifferenz 32:30 für Blau-Weiß. Speziell daheim, wo Villach keines der vier Duelle verlor, war der VSV stärker, im Dvorana Podmežakla zu Jesenice mit seiner massiven, fast erdrückenden Stehplatztribüne, hatten jedoch meist die Slowenen das bessere Ende für sich. Im Besonderen beim 7:3-Kantersieg im November und beim 5:2 im Jänner, als Jesenice nach nur 5:08 schon mit 4:0 führte. Auffällig in den letztjährigen Duellen der damaligen Meisterteams aus Slowenien und Österreich war sicher, dass sich die Villacher Sturm-Legionäre gegen diesen Gegner besonders schwer mit dem Toreschießen taten: Alle vier zusammen brachten es in acht Partien auf nur zehn Tore. Dafür fand vor allem Thomas Raffl Gefallen an Spielen gegen Jesenice: Gleich fünf seiner acht Saisontreffer erzielte er gegen den Vorjahresfünften.



TEAMBEWERTUNG


TORHÜTER
Seamus Kotyk, im Vorjahr statistisch gesehen mit 91,71% Save-Quote der zweitbeste Torhüter der Liga, ist dem Ruf aus Innsbruck erlegen, dennoch hält sich der Verlust für die Slowenen stark in Grenzen. Zunächst mal, da der Kanadier verletzungebedingt weniger als die Hälfte der Spiele bestritt. Sein Ersatzmann Gaber Glavič (29) fand sich nach katastrophalem Saisonauftakt mit der Zeit immer besser in der Liga zurecht und erreichte am Ende sogar noch einen niedrigeren Gegentorschnitt als wesentlich namhaftere Goalies der Liga wie Passmore, Verner, Dalpiaz oder Fankhouser. Sogar die Nummer drei, Andrej Hočevar (22), gewann für seine Mannschaft - etwa beim 4:3-Sieg in Wien - Partien.
Dennoch hat Jesenice auf den Abgang Kotyks reagiert und einen alten Bekannten zurück zum Verein geholt: Der in der Stadt geborene und im Verein aufgewachsene Robert Kristan (24) kehrt nach einem Jahr in der schwedischen Elitserien wieder zurück - einerseits aufgrund seines latenten Heimwehs im Norden, andererseits weil das „Projekt EBEL-Teilnahme“ in Jesenice so gut funktioniert hat, erfolgreich war und somit für ihn die beste Option darstellte. Als Stammtorhüter seines letztjährigen Klubs Brynäs Gävle zählte Kristan zu den besten Torhütern der stärksten Liga außerhalb der NHL: Platz fünf bei der Fangquote (90,91%) und der niedrigste Gegentorschnitt (2,23) aller Elitserien-Keeper im Grunddurchgang sprechen eine klare Sprache, berücksichtigt man seine persönlichen Probleme während der Saison, beeindrucken diese Werte noch mehr.
Hinter ihm stehen die beim Verein verbliebenen Glavič und Hočevar, zusammen ergeben diese drei das ohne Zweifel stärkste - weil ausgeglichenste - Gespann der EBEL. Kein anderer Verein kann von sich behaupten, dass seine Nummer drei im Vorjahr zum besten B-WM-Torhüter gewählt wurde: Andrej Hočevar sicherte der slowenischen Nationalmannschaft nämlich im WM-Turnier den Aufstieg unter die besten 16 Teams der Welt, im Gegensatz zu Österreich schaffte Slowenien die Qualifikation für die nächstjährige Weltmeisterschaft in Kanada.

VSV-Blog-Bewertung:




ABWEHR
Nahezu unverändert gegenüber der letzten Saison präsentiert sich die Abwehr des fünffachen slowenischen Meisters. Die acht Stammkräfte, die sich im Vorjahr die Einsätze aufteilten, sind alle beim Klub verblieben, unter ihnen findet sich kein Legioär. Die einzigen Abgänge sind die beiden Ergänzungsspieler Blaž Klinar und David Mlinarec, die zum HK Alfa Ljubljana in die slowenische Liga wechselten. Zugang hat Jesenice in der Defenisve gar keinen zu verzeichnen, lediglich der 22jährige Žiga Svete, ebenfalls Slowene, im letzten Jahr im B-Team des HC Bolzano (Bozen) in Italiens zweiter Liga beschäftigt, steht während der Vorbeteitung am Prüfstand und könnte nach dem Try-Out noch verpflichtet werden.
Ansonsten alles beim Alten: Der enorm offensivstarke Aleš Kranjc (26) und der spielgestalterisch sehr talentierte Mitja Robar (24/letztes Jahr 29 Scorerpunkte) blieben dem Verein treu, Miha Rebolj (29) und Dejan Varl (34), im Vorjahr mit 116 Strafminuten Jesenices Bad Boy, werden auch heuer vor dem Tor aufräumen. Interessant wird auch, ob Damjan Dervarič (25) seine so starke Vorsaison wiederholen wird können und wer aus dem Trio Jurij Goličič, Uroš Vidmar (beide 26) und Mitja Sotlar (27) den sechsten Verteidiger-Spot im Roster einnimmt.
Trainer Kim Collins hat acht gestandene Verteidiger zur Verfügung, die einen ausgewogenen Mix aus den für eine erfolgreiche Defence notwendigen Spielertypen darstellen. Doch auch wenn speziell Kranjc und Robar in dieser Liga überdurchschnittliche Abwehrspieler sind, zählen sie nicht zu den punktstärksten. Angesichts der namhaften Abgänge im Angriff wird aber genau das einer der Schlüssel zum möglichen Erfolg für den HK Jesenice sein: Dass die Abwehrspieler - speziell beim Spiel fünf gegen fünf - Akzente nach vorne setzen.

VSV-Blog-Bewertung:




ANGRIFF
Der Angriff Jesenices hat über den Sommer enorm an Schlagkraft verloren, speziell die im Scouting ihrer Legionäre traditionell schwachen Klubs aus Wien und Innsbruck bedienten sich am Stahlstädter Billigmarkt, die Capitals holten gleich den gesamten ersten Jesenice-Block aus dem Vorjahr (Aaron Fox, David und Marcel Rodman) an die Donau, Innsbruck sicherte sich Publikumsliebling Tomaž Razingar und den Kanadier Jean-Philippe Paré. Die fünf standen in der Saison 2006/07 zusammen für unglaubliche 312 Scorerpunkte - eine riesige Hypothek für Jesenices Mannschaftsplaner!
Der punktebeste noch verbliebene Angreifer aus dem Vorjahr ist der giftige Gregor Polončič (26), der für eher magere 29 Punkte verantwortlich zeichnete. Außer ihm schaffte mit Boris Pretnar (29) überhaupt nur noch ein weiterer Stürmer eine zweistellige Anzahl an Scorerpunkten.
Für den neuen Trainer Kim Collins standen im Vorfeld also offensiv zwei Varianten zur Auswahl: Eine radikale Systemänderung inklusive des Zukaufs der dafür nötigen Spieler oder eine Übernahme von Ex-Trainer Kopitars Philosophie eines offensiv sehr ansprechenden Hockeys mit enorm viel Bewegung (ein Eindruck, der aus der strikten Trennung in zwei Blöcke mit der Aufgabe des Müdelaufens des Gegners und zwei Blöcke mit rücksichtslosem Zug zum Tor entstand). Gerade aufgrund des Fehlens einheimischer Stürmer mit eingebauter Torgarantie, wie Jesenice sie im Vorjahr noch hatte, wird Collins eher eine Systemänderung vornehmen und somit den nach vorne ausgerichteten Stil Jesenices der Vergangenheit angehören lassen bzw. in seinen Auwüchsen deutlich beschneiden.
Vom EBEL-Neuling und großen Rivalen Olimpija kam der einzige slowenische Neuzugang im Angriff, der 23jährige Andrej Hebar. Er könnte zu einer der neuen Offensivattraktionen des Vorjahresfünften werden, nach vielversprechenden Jugendjahren - er durchlief alle slowenischen Nachwuchsauswahlen und genoss seine Ausbildung in der Jugend von Frölunda Göteborg/SWE - wartet er noch auf den großen Durchbruch, der ihm heuer in einem der beiden ersten Blöcke Jesenices gelingen könnte.
Die namhaften Abgänge versucht Jesenice jedoch vornehmlich mit Legionären zu kompensieren: Als Center ist der US-Amerikaner Derekt Bekar (31) eingeplant, der im Vorjahr für die Hannover Scorpions 21 DEL-Punkte in 50 Partien sammelte. Außerdem verpflichtete der HK den Japan-Kanadier Chris Bright (36), der in den beiden letzten Jahre in Frankfurt (DEL) und beim Schweizer Erstligisten Basel (2006/07 mit 31 Punkten in 44 Partien) unter Vertrag stand. Die Flügel werden vom NHL-erfahrenen Paul Healey (32) und Markus Matthiasson besetzt. Der erstgenannte Kanadier pendelte ab 1996 zwischen NHL und AHL, kam auf 99 Partien für Philadelphia, Toronto, die New Your Rangers und Colorado und wechselte im letzten Sommer erstmals nach Europa, wo er jedoch sowohl in Schweden bei Linköping als auch in Finnland bei Ässät Pori (zusammen nur drei Tore respektive sieben Punkte in 49 Einsätzen) viel schuldig blieb. Dem schwedischen Neuzugang Matthiasson, neu aus Malmö, eilt der Ruf eines hart arbeitenden, körperlich starken und mit einem guten Torriecher ausgestatteten Stürmers voraus. Er könnte zum neuen Stürmerstar der Slowenen werden, spielte er doch den Großteil der vergangenen Dekade in der Elitserien, wo er konstant zwischen - für diese Liga respektable - 20 und 45 Punkte pro Jahr sammelte.
Zum genannten Legionärsquartett könnte mit dem derzeit das Probetraining in Jesenice absolvierenden Joel Stepp (24), einem Drittrundendraft aus der Saison 2001, ein weiterer hinzukommen. Entspricht er nicht, wird Jesenice jedoch in jedem Fall einen fünften Legionär holen.
Der Rest des Kaders wird neben den genannten drei Slowenen aus einheimischen Ergänzungsspielern gebildet, was die eingangs aufgestellte These der Systemänderung bestätigt. Jesenice wird wohl vom konstanten Vier-Linien-Spiel im Angriff abrücken und statt den im Vorjahr alles überragenden beiden ersten Formationen eher auf drei ausgewogenere Blöcke setzen, einen vierten nur zur Entlastung bringen. Dabei ist davon auszugehen, dass die erste Angriffsformation erstmals seit langer Zeit ausschließlich aus Legionären bestehen dürfte. Aufgrund des umfassenden Umbaus im Bereich des offensiven Personals ist der HK Jesenice schwer auszurechnen, die Legionäre scheinen bedeutend namhafter als jene im Vorjahr, nach wirklichen Klassenspielern slowenischer Herkunft - eine Eigenschaft, die den Klub in den vergangenen Jahren ausgezeichnet hat - sucht man im Kader jedoch vergeblich. Und so liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, dass das Motto der Jesenice-Fans heuer zum Tragen kommt: No Raza, no Party! (Anm.: Raza ist der Sitzname des abgewanderten Tomaž Razingar)

VSV-Blog-Bewertung:




TRAINER
Der in seiner Spielerkarriere von mäßigem Erfolg (zehn DEL-Einsätze für Augsburg) gekennzeichnete Kim Collins (45) ist der neue Mann an der Bande beim slowenischen Traditionsverein, wo er das Erbe von Matjaž Kopitar, einer der herausrageden Trainerpersönlichkeiten der letztjährigen EBEL-Saison, antritt. Er kommt vom Schweizer NLB-Klub EHC Biel, den er seit seiner Amtsübernahme im Dezember 2004 zu zwei Zweitligameisterschaften führte, mit dem er jedoch nie den Sprung in die Erstklassigkeit schaffte. Sein Nachfolger in Biel, wo Collins mit einem eher harten Führungsstil bekannt wurde, ist im Übrigen der ehemalige dänische KAC-Legionär Heinz Ehlers.
In Jesenice wird Collins erste große Aufgabe das Formen einer durchschlagskräftigen Offensivabteilung sein, Systemwechsel inklusive. Ein Nachteil für den Kanadier könnte seine völlige Unkenntnis der Liga und ihrer Teams bzw. Spieler sein, auch die Umstellung für die Spieler, denen der nicht Slowenisch sprechende Neo-Coach erst sein Wunschkonzept einimpfen muss, könnte nicht ganz friktionsfrei ablaufen. Entscheidend wird daher sein, wie schnell er die Fähigkeiten der verbliebenen Einheimischen im Kader erkennt und zusammen mit den Legionären eine erfolgsversprechende Formierung zu Stande bringt. Viel Eingewöhnungszeit bleibt ihm in Anbetracht des neuen Moduses und des von ihm ausgegebenen Saisonziels (Platz sechs) dazu nicht.

VSV-Blog-Bewertung: