09.09.07

SAISONVORSCHAU, TEIL II

HC INNSBRUCK

Gründungsjahr: 1994

Meistertitel: keine
Heimhallen: Tiroler Wasserkraft Arena (3.130 Sitzplätze), Olympiahalle Innsbruck (7.212 Plätze, davon 5.212 Sitzplätze)
Homepage: www.hcinnsbruck.at
VSV-Bilanz 2006/07: 8 Spiele; 4 VSV-Siege, 4 Niederlagen, Torverhältnis 32:25 (+7). Top-Scorer: Bousquet 10 (6+4), Gauthier 8 (4+4), Edgerton 6 (3+3) bzw. Elik 8 (4+4), Hansen 7 (3+4), Lindner 6 (3+3).


Wieder einmal wurde in Innsbruck viel investiert und die Mannschaft über die Sommerpause komplett umgebaut. Im Gegensatz zu manch vergangener Übertrittszeit wurde heuer aber zumindest die grundsätzliche Ausrichtung der Mannschaft nicht völlig verändert. Einige der in den letzten Jahren konstant wieder und wieder begangenen Fehler wurden wiederholt, andere ausgemerzt. Doch niemand weiß so richtig, wo der HCI wirklich steht - das bewiesen auch die bisherigen Testspiele, wo einerseits gegen DEL-Spitzenteams gewonnen und andererseits gegen einen Aufsteiger in die zweite deutsche Bundesliga verloren wurde.

Veränderungen gab es beim Vereinspersonal nahezu auf jeder Ebene: Gleich elf Abgänge (davon bis auf Dagenais alle Legionäre aus dem Vorjahr) im Kader, ein neuer Trainer und mit Patrik Aronsson, dem ehemaligen Euroliga-Sieger mit Feldkirch und späteren Zell-Legionär, ein neuer sportlicher Leiter. Dabei findet sich der Agent (er betreibt mit Patrik Carnbäck, dem Ex-Teamkollegen von Herbert Hohenberger bei Köln, eine sehr erfolgreiche Spielerberatungsagentur) in einer für ihn ungewohnten Rolle wieder, wobei er seine Feuertaufe, das Mitwirken an der Kaderzusammenstellung, durchaus zufriedenstellend bestanden hat.
Die Innsbrucker Haie haben nämlich nominell eine sehr starke Mannschaft zusammengestellt, in der sich einige der bestverdienendsten EBEL-Crack außerhalb Salzburgs finden. Die ewige Schwachstelle, die Torhüterposition, wurde ausgebessert, der Verteidigung sowohl ausländische als auch österreichische Qualität zugeführt, der Angriff mit in der Liga bereits bekannten und somit leichter in ihrem Potential einzuschätzenden Spielern verstärkt. Letzteres war in Innsbruck in den vergangenen Spielzeiten eigentlich ein dauerhaftes Problem, in jeder der letzten fünf Saisonen hat der HCI während der Saison nicht zufriedenstellende Legionäre getauscht, heuer scheint man bereits vor Saisonbeginn zu wissen, welche Qualitäten die Neuzugänge wirklich haben.
Eines der ebenfalls seit Jahren den Verein und seine Planung begleitenden Problemfelder konnte allerdings nicht ausreichend bekämpft werden: Innsbruck verfügt auch heuer über einen äußerst schlanken Kader, in dem zwischen dem Niveau der Leistugsträger und jenem der Ergänzungsspieler eine erhebliche Lücke klafft. Mit ein wenig Verletzungspech oder eventueller Formschwäche zentraler Akteure könnte es also gegen Ende des Grunddurchgangs wieder einmal zu einem regelrechten Einbruch der Haie kommen. Um diesem Szenario entgegenzuwirken ist es durchaus möglich, dass der Verein in den kommenden Wochen noch den einen oder anderen Neuzugang aus dem Ausland präsentiert.

Gegen den VSV kann der HC Innsbruck für die vergangene Saison eine sehr ausgeglichene Bilanz vorweisen: Jedem Team gelangen in den acht direkten Begegnungen jeweils vier Siege, beide Mannschaften konnten dabei je einmal in der fremden Halle gewinnen. Aus Villacher Sicht am stärksten in Erinnerung ist sicherlich das achte und letzte Duell der Saison 2006/07, ausgetragen am letzten Spieltag des Grunddurchgangs. Greg Holst, der mit dem VSV bereits als Tabellenzweiter feststand, fuhr mit einer besseren Nachwuchsmannschaft nach Innsbruck und brachte nicht weniger als 13(!) U20-Spieler zum Einsatz - eine schallende Ohrfeige ins Gesicht der anderen EBEL-Vereine und ihrer Nachwuchs“arbeit“.



TEAMBEWERTUNG


TORHÜTER
Seit dem Insbrucker Einstieg in die Bundesliga im Jahr eins nach dem Ligacrash (2000) hütete Claus Dalpiaz das Tor, während die Liga immer besser wurde, war bei ihm eher Gegenteiliges der Fall, Glanzauftritte wurden zusehends seltener. Heuer hat man sich nach sieben Saisonen vom 35jährigen getrennt und vertraut erstmals seit Vereinsgründung auf einen Legionär als Nummer eins. Vom HK Jesenice wurde mit dem Kanadier Seamus Kotyk (26) einer der stärksten Goalies der EBEL geholt. Obwohl er im Vorjahr erst nach Saisonbeginn zu den Slowenen stieß, schaffte er so viele Shutouts (drei) wie kein ander Torwart in der Liga, seine Save-Percentage von 91,71% wurde nur vom Villacher Gert Prohaska übertroffen. Völlig sorgenfrei kann der HCI auf der Torhüterposition jedoch nicht sein, denn erstens ist Kotyk - wie im vergangenen Jahr unter Beweis gestellt - verletzungsanfällig, zweitens war er noch nie in seiner Profi-Karriere über eine komplette Saison die unumstrittene Nummer eins bei einem seiner Vereine, und drittens wird keiner der beiden Backups dazu in der Lage sein, ihn bzw. seinen Stammplatz unter Druck zu setzen bzw. in Frage zu stellen. Neben Kotyk stehen dem HCI mit Matthias Haller (21) und dem Neuzugang Manuel Schönhill (19) aus dem U20-Bundesliga-Team des EV Füssen/GER nur zwei sehr unerfahrene Ersatzleute zur Verfügung. Ein Umstand, der zweifelsfrei als nicht ganz risikolos einzustufen ist.

VSV-Blog-Bewertung:




ABWEHR
In der Defensive vertraut Innsbruck fast schon traditionell auf bewährte, aus Villach stammende Qualität. Mit VSV-Legende Herbert Hohenberger (38), der 13 Saisonen, davon zuletzt sechs in Folge, das Adlertrikot trug, wurde ein weiterer Villacher unter Vertrag genommen. Hohenberger zog es aufgrund privater Probleme am Ende seiner Karriere noch einmal weg aus seiner Heimatstadt. Seine enorme Erfahrung wird die Innsbrucker Defensive stärken, seine zuletzt immer wechselhafter gewordenen Darbietungen dokumentieren aber auch, dass die Zeiten, in denen Hohenberger der beste Verteidiger der Liga war, zweifelsfrei vorbei sind. Die beiden anderen Villacher in der HCI-Defensive sind mit Sven Klimbacher (25/bereits über 500 Ligaspiele und im Vorjahr als einziger Verteidiger des Klubs mit einer positiven +/- Bilanz) und Gerhard Unterluggauer (31) gestandene, überdurchschnittliche EBEL-Verteidiger. Speziell letzterer dürfte sich über den Zugang seines Kumpels Hohenberger freuen und somit keine weitere, von relativer Lustlosigkeit geprägte Saison wie die letzte abliefern.
Neben dem Trio mit blau-weißem Blut holte der HCI zwei Legionäre für die Abwehr: Das offensivstarke 105kg-Bröckerl Mario Larocque (29) wurde 1996 in der ersten Runde des NHL-Drafts gezogen, kam jedoch in seiner gesamten Karriere nur auf fünf Einsätze (1998/99) in der besten Liga der Welt und zeichnete sich in den Folgejahren eher beim Sammeln von Strafen (seither keine Saison unter 170 Minuten) aus. Neben dem Mann fürs Grobe wurde mit dem Südtiroler Armin Helfer (27) ein Wunschspieler von Neo-Coach Cortina, der ihn aus seiner Zeit als italienischer Nationaltrainer kennt, verpflichtet. Neben diesem recht kompakten Quintett hat Florian Schwitzer (27), seit dem Bundesliga-Einstieg der Innsbrucker im Kader, die besten Chancen, als sechster Verteidiger nominiert zu werden. Aber auch der 20jährige Ex-VSV-Nachwuchscrack Patrick Gruber könnte heuer zu bedeutend mehr Eiszeit in der Haie-Abwehr kommen. Außerdem stehen noch die Ergänzungsspieler Daniel Mitterdorfer (18), Florian Pedevilla (20) und Andreas Sarg (19) aus der eigenen Jugend im Kader.
Zusammengefasst ist die HCI-Defence durchaus solide besetzt, großes Manko ist jedoch, dass wohl keiner dieser Spieler einen Speedskating- oder Stocktechnik-Bewerb gewinnen würde. Vieles wird in diesem Mannschaftsteil also vom Stellungsspiel der einzelnen Akteure abhängen, eine Aufgabe, die allen fünf Leistungträgern aufgrund ihrer vorhandenen Routine zuzutrauen ist. Innsbrucks Abwehr wird mit Sicherheit sehr kompromisslos auftreten - ob dies ausreicht, um Erfolg zu haben, bleibt jedoch abzuwarten.

VSV-Blog-Bewertung:




ANGRIFF
Im Sturm wurde in Innsbruck beinahe alles über den Haufen geworfen, nur drei Leistungsträger aus dem Vorjahr tragen auch heuer noch das HCI-Trikot. Der wichtigste von ihnen ist Pierre Dagenais (29), der im Laufe der vergangenen Saison von Jokerit Helsinki geholt wurde und voll einschlug: 37 Tore in nur 27 Einsätzen – bester Tore/Spiel-Schnitt der Liga! Die anderen von Superlativen gekennzeichneten Innsbrucker Angreifer sind jedoch in der Rubrik Abgänge zu finden: EBEL-Topscorer Todd Elik, 2006/07 mit 98 Punkten in 53 Spielen, wurde sein Verhalten abseits des Eises zum Verhängnis, Tavis Hansen, mit 225 Strafminuten „Bad Boy“ der Liga, jenes am Eis.
Die drei weiteren Legionärs-Abgänge (Christian Sbrocca, Eric Lecompte und Carl Mallette, Innsbrucks einziger Stürmer neben Dagenais mit einer positiven +/-) wurden mit ebensovielen neuen „Fremdarbeitern“ mehr als kompensiert: Neuer Spielmacher soll der großgewachsene Amerikaner Craig Darby werden, der - nachdem er sich eigentlich nur in zwei Saisonen um die Jahrhundertwende in der NHL festsetzen konnte - bis 2006 durch die AHL tingelte und im Vorjahr für Augsburg 51 DEL-Punkte in 52 Spielen holte. Aus Jesenice kamen gleich zwei im Vorjahr sehr starke Angreifer: Der Kanadier Jean-Philippe Paré (27) soll jener Center werden, der Torjäger Dagenais mit Vorlagen füttert, während Sloweniens Nationalspieler Tomaž Razingar (28) die Assists von Darby im anderen Sturmduo in Tore ummünzen soll. Allerdings darf bei Razinger, dem ein entsprechender Ruf vorauseilt, abgewartet werden, wie schnell und gut er sich in Innsbruck einlebt, denn außerhalb Jesenices konnte er bisher kaum für Furore sorgen.
Von den Österreichern blieben nur zwei Stützen aus dem Vorjahr am Inn: Der derzeit noch verletzte Klagenfurter Heimo Lindner (29), der in insgesamt vier Jahren beim HCI in 168 Partien respektable 159 Punkte scorte, sowie der von Salzburg für ein zweites Jahr ausgeliehene Thomas Auer (24). Hingegen neu von der Salzach geholt wurde der gebürtige Villacher Martin Pewal (29), der beim Meister keine Zukunft mehr hatte und in Innsbruck bereits beim vierten EBEL-Verein seiner Karriere angeheuert hat. Aus Klagenfurt angelte sich der HCI mit Harald Ofner (24) einen weiteren Kärntner, der sich in der Vorbereitung bereits bestens in Form zeigte und mit Paré und Dagenais überraschend den ersten Angriffsblock von Trainer Cortina bildete.
Nach diesen acht Angreifern folgt im Kader der Tiroler dann jedoch die große Kluft zum Rest der Ergänzungsspieler. Thomas Müller (25), im Vorjahr mit acht Scorerpunkten noch der Beste aus dieser Kategorie, hat, sollte der Kader unverändert bleiben, noch die besten Chancen auf einen Platz im dritten Block. Hinter ihm stehen mit den aus der U20 hochgezogenen Andreas Hanschitz (20) und Manuel Praty (19) zwei junge Spieler mit wenig Erfahrung. Selbt wenn man sie mitzählt, stehen nur elf Angreifer im Kader der Haie – deutlich zu wenig für eine lange EBEL-Saison, in der man endlich wieder oben mitspielen möchte. Ergo: Zusätzliche Neuverpflichtungen sehr wahrscheinlich!

VSV-Blog-Bewertung:




TRAINER
„Jedes Jahr ein neuer Trainer“ scheint das Motto in Innsbruck zu sein. Seit dem Bundesliga-Einsteig im Jahr 2000 schwangen schon Miroslav Berek, Lars-Erik Lundström, Doug Bradley, Tommy Samuelsson, Alan Haworth und Larry Sacharuk das Trainerzepter beim HCI, in der Saison 2007/08 steht mit Pat Cortina wieder ein neuer Übungsleiter an der Bande. Der 42jährige Kanadier mit italienischen Wurzeln, geboren in Montreal, hat eine sehr untypische Trainerkarriere hinter sich, war er doch schon im Alter von nur 24 Jahren Coach in Italiens zweiter Liga und mit 27 Co-Trainer der italienischen Olympiaauswahl bei den Spielen in in Albertville. Mehreren Stationen in der Serie A - unter anderem in Asiago, mit dem er im Jahr eins nach der Alpenliga eine Serie von 40 Spielen ohne Niederlage hinlegte - folgte schließlich 2001 die fast logische Bestellung zum italienischen Nationaltrainer.
Als Klubtrainer arbeitete der sich selbst als „fordernden Trainertypen“ Bezeichnende später beim Neo-EBEL-Klub Székesfehérvár, den er 2006 bis ins Finale des Continental-Cups führte. Schon zwei Jahre zuvor wurde er zum Coach der ungarischen Nationalmannschaft ernannt – einen Job, den er bis heute inne hat. Bei der letzten WM der Division I im April in Slowenien stand am Ende nur das Gastgeberteam vor den Ungarn, was Cortina eine erneute Vertragsverlängerung beim Verband einbrachte.
Trotz seines jungen Alters hat der neue Innsbruck-Trainer also bereits jede Menge Erfahrung in seinem Beruf gesammelt, allerdings – und das könnte ein Problem sein – immer nur in eher schwachen Ländern bzw. Ligen mit teilweise (halb-)amateurisiertem Spielbetrieb. Doch seine Erfolge mit Székesfehérvár und dem ungarischen Nationalteam machten in der jüngeren Vergangenheit langsam die Runde und brachten ihm schließlich im Oktober letzten Jahres eine Anstellung beim deutschen Zweitligisten EHC München, den er aus dem Tabellenkeller bis ins Halbfinale der Play-Offs führte. Dann kam das Angebot aus Innsbruck, das Cortina annahm, da er sich mit dem sportlichen Leiter Patrik Aronsson schnell auf einer Wellenlänge wiederfand und außerdem nun ein Stück näher bei seiner in Südtirol lebenden Familie arbeiten konnte.
Cortina kann als einer der experimentelleren Trainertypen der Liga gesehen werden, im Umgang mit der Mannschaft agiert er eher hart – eigentlich genau das, was Innsbruck gebraucht hat. Es wird spannend, zu sehen, was er mit seiner Art, Coach zu sein, in Tirol erreichen kann.

VSV-Blog-Bewertung: