18.09.07

KOMMENTAR: PUNKTSPIELE

Wenn sich Verband, Liga und teilweise auch Vereine oder Medien wieder einmal - speziell vor dem Beginn einer neuen Saison oder zu deren Ende hin - damit rühmen, wie sehr sich die EBEL nicht weiterentwickle und wie viel stärker sie nicht von Jahr zu Jahr werden würde, so tun sie das in einem gerüttelten Maß aus Eigeninteresse. Motto: Betreibe vermeintlich Gutes und sprich darüber.
„Sie haben ein Produkt zu verkaufen“ wäre, so oder so ähnlich, die neoliberale Beschreibung dieses immer wiederkehrenden Schauspiels, das dokumentiert, wie sehr sich das „System Eishockey“ in Österreich vielerorts von dem entfernt hat, was Sport eigentlich ausmachen sollte, und wie krank die Entwicklung der vergangenen Jahre in ihrem Kern ist. Von Wien nach Salzburg, von Graz nach Linz - bei den meisten Vereinen reicht es nicht zum Blick über den Tellerrand, zur zumindest ansatzweisen Rücksichtnahme auf die übergeordnete, die eigentlich wichtige Ebene, nämlich das österreichische Eishockey an sich. Die Klubs verstehen sich - mit wenigen Ausnahmen - als Dienstleistungsunternehmen, ihr Ziel ist (neben der Befriedigung des jeweiligen Egos einzelner personifizierter Geldgeber) der rücksichtslos errungene Erfolg. Diesem liegt jedoch nich das dem Sport ureigenste Motiv, der Sieg im sportlichen Wettkampf, zu Grunde, sondern vielmehr die vermeintliche Steigerung des Bekanntheitswertes der eigenen Marke zur Vergrößerung des potentiellen Zuseher- , nein, eher Kundenpotantials. Freilich nur in dem Sinne, dass das Publikum doch bitte ob der angewendeten Methoden schön unkritisch bis unmündig sei und möglichst viel Geld - in Form überteuerter Eintrittskarten, dumpf beworbener Merchandising-Artikel oder hallengastronomischer Ausgaben - an den Dienstleistungsanbieter herantrage. Selbiges wird selbstredend nicht zur Stärkung der nachhaltigen Entwicklung des Eishockeys am entsprechenden Standort (Nachwuchsarbeit, Infrastruktur, etc.) verwendet, sondern umgehend in die Erhöhung der kurzfristigen Erfolgsaussichten auf schwachen Beinen re-investiert. Und das Publikum kommt beim nächsten Spiel wieder: Zwar hat die angebotene Unterhaltungs-Dienstleistung so gar nichts mehr mit dem Sport an sich oder der Stadt, die der Klub im Namen führt, zu tun, aber das Bejubeln des relativen Erfolgs der zusammengekauften Söldnertruppe lenkt vom oft frustrierenden Alltag der Modernisierungsverlierer ab und bietet somit eine willkommene Freizeitgestaltungsmöglichkeit. Das Resultat dieser Entwicklung ist - von einem Verfall jeglicher erwähnenswerten Form von Fankultur ganz abgesehen - eine Liga von Vereinen, die über ihren Verhältnissen leben, ihre ehemals vielleicht unverwechselbare Identität über Bord geworfen haben und sich in Planung und Durchführung des Spielbetriebes in ihrem kleinen, kleinen, auf sich selbst beschränken Aktionsradius bewegen.
In der Natur der Sache liegt es dabei, dass diese auf sich selbst konzentrierten (und in der Folge auch gestellten) Klubs kollektiven, solidarischen und einer größeren Sache (in diesem Fall: dem österreichischen Eishockey) dienenden Denkens/Handelns unfähig sind und die Liga somit zu einer Ansammlung von Interessensvertretern verkommt, die sich - ein Zitat aus dem Film Braveheart erscheint hier angebracht - „nicht mal aufdie Farbe von Scheisse einigen können.“

Unter diesen Voraussetzungen, die zwangsläufig zur mittlerweile zur Realität gewordenden de-facto Freigabe der Legionärszahlen (unwiderlegbar eine weitere Schwächung des österreichischen Eishockeys) führen musste, ist es umso erstaunlicher, dass die Liga und ihre Klubs ein neuartiges Transfersystem auf der Grundlage von Punktebewertungen zu Stande gebracht haben. Dieses weist zwar noch durchaus seine Kinderkrankheiten auf und reguliert die aus den Fugen geratene Situation in viel zu geringem Umfang, es ist vom Ansatz her jedoch zu begrüßen und ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Das Regulativ schiebt allzu ausufernder Personalpolitik einen Riegel vor, wenngleich es dies in viel zu geringem Ausmaß tut, da es die Punkteobergrenze für jedes einzelne Spiel neu zieht, es einen Verein aber nicht daran hindert, im Saisonverlauf nahezu beliebig viele Spieler (ungeachtet ihrer Herkunft, also auch Legionäre) zum Einsatz zu bringen. Diese Praxis eröffnet einen von großem Druck gekennzeichneten Konkurrenzkampf innerhalb der Vereine, ein Umfeld, das etwa für die behutsame Entwicklung talentierter Nachwuchsspieler (denen in ihren jungen Jahren zweifelsfrei auch die Möglichkeit eingeräumt werden muss, Fehler begehen zu dürfen, ohne gleich „weg vom Fenster“ zu sein) schlechter nicht sein könnte.
Der so gebremste Fortschritt für Nachwuchshoffnungen findet dann auch in Auswüchsen wie einer absurden Kategorie im Punktebewertungsschema für U24(!)-Spieler Ausdruck. Einem in diese Rubrik fallenden Crack, der vielleicht seit seinem sechsten Lebensjahr, also rund drei Viertel seines bisherigen Lebens, Eishockey spielte, wird so signalisiert, noch nicht vollwertig zu sein. Genau genommen ist ein solcher Spieler - ungeachtet seines Talents - sogar nur die Hälfte wert, nämlich maximal zwei auf der bis vier Punkte reichenden Skala. Dass durch diese starre Regelung automatisch ein zusätzliches Problem am Spielermarkt geschaffen wird - so können unter 24 Jahre alte Spieler, die das Glück hatten, bei einem Verein, der den Weg der Sinnhaftigkeit noch nicht ganz verlassen hat und sogar noch vielversprechende Nachwuchsarbeit betreibt (z.B. der EC VSV), groß zu werden und so ein entsprechendes spielerisches Level erreichen konnten, fast unverschämte Gehälter verlangen, da sie das Punktebudget eines Klubs ja viel geringer belasten und sich diese Eigenschaft auch entsprechend entlohnen lassen wollen -, sei hier nur am Rande erwähnt.

Fest steht: Das Punktesystem ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es beraubt sich seinem Fundament jedoch angesichts der ihm eigenen Regelungen (und hier ist jene, dass lediglich die Obergrenze der pro Spiel eingesetzten Punkte festgelegt ist, nicht jedoch jene über den Saisonverlauf hinweg, besonders schädlich) teilweise massiv selbst. Fehler, die es für die Zukunft zu korrigieren gilt, die im seriösen Dialog im Hinblick auf die weitere Entwicklung des österreichischen Eishockeys auch relativ friktionsfrei behoben werden könnten, wäre da nicht die eingangs beschriebene Metamorphose von Sportvereinen zu kurzsichtigen Unterhaltungsunternehmen, die in manchen EBEL-Städten als gegeben anzusehen ist.