24.09.07

KOMMENTAR: "EINE RIESIGE SACHE"

Donnerstag, 20.September 2007. Auftakt zur neuen Saison in der Eishockey Bundesliga. Premiere, das seinen Vertrag mit der Liga im Frühjahr bis 2010 verlängert hat, ist live dabei und bringt zur Einstimmung auf das Spiel Salzburg gegen Villach die Bilder vom letzten Duell dieser beiden Teams, als sich das Red Bull-Werksteam auf eigenem Eis den Titel holte: Übergabe des ersten Meisterpokals der Vereinsgeschichte, keine 500 Fans am Eis. Dann die ersten Livebilder aus dem Volksgarten: Keine Tribüne, auf der nicht etliche Plätze leer geblieben sind, am Ende werden (geschönte) 2.500 als Zuseherzahl verlautbart. Zur Erinnerung: Dieses ist das erste Heimspiel als regierender Titelträger, noch dazu das Duell gegen den Vizemeister! Eindrucksvoller könnte der Beweis wohl kaum sein, wie hier künstlich und mit Unsummen ein Team aus dem für Eishockey offenbar sehr unfruchtbaren Salzburger Boden gestampft wurde.
Doch der Red Bull-Konzern, der schon bei seinem fußballerischen Engagement in der selben Stadt vor Augen führte, wie fern ihm sportethisches Denken mit den Stützen Tradition und Identität(sstiftung) ist, denkt erst gar nicht daran, diese missliche Situation zu beachten und in erster Linie mal danach zu trachten, einem österreichischen Meister ein würdigeres gesellschaftliches Umfeld, in dem das Team das Interesse von mehr als ein paar hundert Menschen weckt, zu schaffen. Eine solche lokale Verankerung ist nebensächlich, wenn es eigentlich nur darum geht, den Sport zur Steigerung von Bekanntheits- und somit Umsatzwerten zu missbrauchen. Vielmehr soll es nach drei Jahren in der österreichischen Liga nun möglichst schnell auf einen größeren Absatzmarkt gehen, die deutsche Liga ist das Ziel. Das Unternehmen respektive seine Eishockeymannschaft schnellstmöglich dorthin zu bringen, ist die Aufgabe des nunmehrigen Sportdirektors Hardy Nilsson. Der hat vor einem knappen Jahrzehnt den Anschluss an das Hockeyspiel an sich verloren, durfte aber dennoch bis letzten Sommer Trainer in Salzburg sein und bereitet nun - nicht weniger hoch bezahlt - die DEL-Zukunft des Klubs vor. Also holt ihn Premiere vor die Kamera und befragt ihn zu seinen Plänen: „Wir spielen dort mit zehn Ausländern, wie die anderen DEL-Vereine auch.,“ gibt er an, um diesen Umstand keine halbe Minute später als „riesige Sache für das österreichische Eishockey“ zu bezeichnen. Wieviele Plätze für österreichische Spieler in diesem Kader übrig bleiben und ob diese Anzahl dann nicht doch in einer sehr ungleichen Relation zu „Eishockeyösterreich“ steht, muss an dieser Stelle wohl kaum im Detail vorgerechnet werden.
Aber auch der neue Trainer Pierre Pagé kommt bei Premiere zu Wort und gibt als einen seiner vorgefertigten PR-Sager an, dass Red Bull mit dem Wechsel in die DEL doch nur „dem österreichischen Eishockey helfen“ wolle. Eine Propagandaaussage, der alleine schon die zuvor dargestellte „Nilsson-Rechnung“jegliche Basis entzieht. Sogar der im Normalfall wenig kritische Interviewer von Premiere geht dieser Phrase nicht so ganz auf den Leim und fragt nach, was denn das langfristige Ziel des Red Bull-Hockeys sei? Pagè antwortet: „Dass wir einen zukünftigen NHL-Spieler produzieren.“ Die durch die Halle schweifenden, blendenen Lichtkegel in rot und blau dürften wohl den Blick nach Villach verdeckt haben, das mit Michael Grabner jüngst einen Erstrunden-Draftpick mit glänzenden NHL-Chancen herausgebracht hat. Ganz ohne Millionen.
Doch mit den langfristigen Zielen ist es im Salzburger Eishockey traditionell nicht sehr weit her: Als im Jahr 2000 das Red Bull-Unternehmen beim damaligen Nationalligaklub einstieg, gab der damals noch deutlich stärker von Medienscheue gekennzeichnete Dietrich Mateschitz an, ein Jugendinternat aufbauen zu wollen, aus dem das Team genährt werden solle, um einige Jahre später mit einer aus der Akademie hervorgehenden Mannschaft den Blick in Richtung Bundesliga zu lenken. Das Resultat: In der Mannschaft, die am 5.April 2007 den ersten Titel der Klubgeschichte gewann, standen 0 (in Worten: null) in der Stadt Salzburg geborene oder im Verein großgewordene Spieler.

Die sich aus dem neuen Regulativ der Liga ergebenden verpflichtenden Plätze am Spielbericht für Spieler mit einem Geburtsjahr 1984 oder jünger sorgen nun für ein etwas günstigeres Bild, das Hauptaugenmerk in der sommerlichen Transferzeit lag jedoch auf der Verpflichtung vermeintlich namhafter NHL-Cracks. Beispielsweise Richard Jackman, der im Vorjahr 38 Partien für Florida und den späteren Stanley-Cup-Sieger Anaheim absolvierte. Die nicht gerade durch ihre fundierte Eishockeyberichterstattung bekannten Medien der Republik fragten sich lang und breit, wie ein solches Kaliber nur in Salzburg landen konnte? Eine diesbezügliche Erklärung des Vereins würde wohl die üblichen Floskeln vom „professionellen Umfeld“ und der „großartigen Perspektive“ (der - frei nach Nilsson - „riesigen Sache“) beinhalten, wahr ist jedoch, dass Richard Jackman keinen NHL-Vertrag mehr bekam, da in der Liga bekannt war, dass er sich den Sommer über einer Alkohol- und Drogen-Entziehungskur zu unterziehen hatte. In diesem Sinne sei dem Spieler gute Besserung gewünscht, auf dass er in Salzburg wieder auf eine etwas geradere Bahn zurückfinden möge. Denn dann hätte Red Bulls Engagement im Eishockey - zwar wohl unfreiwillig, aber doch - zumindest einen positiven Aspekt.